Am 20.08.2020 wandten sich unten stehende Exiliraner*innen mit dem hier dokumentierten offenen Brief an die Gemeinderäten*innen und den Oberbürgermeister Martin Horn. Wir haben hierzu eine PM veröffentlicht:
München, den 20.08.2020
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn,
sehr geehrte Mitglieder des Freiburger Stadtrats,
als in Bayern lebende Exiliraner schätzen wir, dass Sie sich für den Frieden und die Völkerverständigung zwischen den Menschen im Iran und Deutschland engagieren. Dabei ist es prinzipiell wichtig, im gemeinsamen Dialog Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu vermitteln. In einer Partnerschaft sollte man dabei auch über den eigenen Horizont blicken.
Am Mittwoch, dem 5. August, wurde am frühen Morgen der Demonstrant mit dem Namen Mostafa Salehi hingerichtet. Der geborene Isfahaner wurde im Isfahaner Dastgerd-Gefängnis erhängt. Die Vorwürfe gegen ihn stammten aus der Teilnahme an einem landesweiten Aufstand am Ende 2017 und Anfang 2018. Amnesty International verurteilte, dass die Hinrichtung durchgeführt wurde, trotz schwerwiegender Bedenken hinsichtlich unfairer Gerichtsverfahren, Folter und anderer Misshandlungen sowie der Verweigerung des Zugangs zu einem Anwalt während der Ermittlungsphase.1
Das gezielte Töten wurde ergänzt durch die Todesurteile gegen fünf Demonstranten aus der zentraliranischen Provinz Isfahan. Die fünf jungen Männer, Mehdi Salehi Ghaleh Shahrokhi, Mohammad Bastami, Majid Nazari Kondari, Hadi Kiani und Abbas Mohammadi, wurden im Dezember 2017 in ihrer Heimatstadt Nikbakht festgenommen, weil sie an Bürgerprotesten für soziale Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung teilgenommen hatten.2 Seither werden sie im Zentralgefängnis der Provinzhauptstadt Isfahan festgehalten.
„Nachdem die Bestätigung der Todesurteile gegen die fünf Demonstranten bekanntgeworden war, haben sich Bürgerinnen und Bürger in der Stadt Nikbakht versammelt, um gegen die Todesstrafe zu protestieren und gehen damit ein hohes Risiko ein, da Proteste gegen die Todesstrafe im Iran als „staatsfeindliche Aktivitäten“ gelten und schwer bestraft werden.“3
„Bereits Anfang Juli hatte das oberste Gericht in Teheran die Todesurteile gegen drei junge Männer, die im November 2019 an Bürgerprotesten gegen die Diktatur teilgenommen haben, bestätigt. Daraufhin haben Millionen Iranerinnen und Iraner im Internet gefordert, dass die Hinrichtung der drei zum Tode verurteilten Männer gestoppt werden müsse.“4
„Eine Amnesty-Studie hat dokumentiert, dass der Iran für 38 Prozent der nachvollziehbaren weltweiten Hinrichtungen verantwortlich ist. Nach China führt die Islamische Republik die meisten Hinrichtungen weltweit durch – mindestens 251 im vergangenen Jahr. Der Iran ist auch eines der wenigen Länder, in denen Minderjährige hingerichtet werden.“5
Unter Präsidenten Ruhani wurden allein zwischen dem 1. Januar und dem 15. Juli 2015 insgesamt 694 Menschen hingerichtet.6,7 „In den vergangenen vier Jahren hat sich die Menschenrechtslage unter ihm stark verschlechtert.“8 Bei den landesweiten Protesten Ende 2019, die auch in Isfahan stattgefunden haben, sind Hunderte Menschen durch Sicherheitskräfte getötet und über zehntausend festgenommen worden.9 Auch in Belarus gehen aktuell Tausende Menschen gegen Korruption und für Demokratie auf die Straße.
Kaum jemand würde zum jetzigen Zeitpunkt eine Städtepartnerschaft mit Minsk in Erwägung ziehen. Die jüngsten Beispiele zeigen, dass die Menschen im Iran bereits ein ausreichendes Verständnis für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben, doch seit Jahrzehnten müssen sie für deren Verwirklichung ihr Leben geben. Im Gegenzug gewinnt das politische System im Iran durch eine internationale Partnerschaft wie mit der Stadt Freiburg weiter an Legitimität, die Unterdrückung gegen die eigene Bevölkerung auf kommunaler Ebene und sein aggressives Verhalten im Nahen Osten fortzuführen.
In unseren Augen kompensiert ein kultureller und ideeller Austausch, selbst wenn dahinter eine friedfertige Absicht steht, nicht die Gewaltverbrechen, die sich im Vordergrund abspielen. Was Hassan Ruhani von Frieden und Partnerschaft in der Region hält, zeigt sich an der kürzlichen Annäherung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten, welche die EU als positiven Schritt bewertet, aber von Ruhani als „großer Fehler und verräterisch“10 diffamiert wird. Selbst die Emirate haben seine Einmischung und „Drohungen“11 verurteilt.
Die kürzliche Hinrichtung eines Isfahaners und die Vollstreckung weiterer Todesurteile sind nicht einfach nur bedauerlich, sondern insbesondere bei einer Partnerschaft ein Resultat dessen, was unsere freiheitliche Gesellschaft mitträgt. So hat sich Weimar gegen eine Partnerschaft mit der iranischen Stadt Shiraz ausgesprochen, nachdem dessen Delegation sich weigerte, die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zu besuchen.12
Dass die Niederschlagung jeglichen Aufstandes noch nicht beendet ist, sollte niemanden überraschen, der mit der Liste der Verletzungen der Menschenrechte durch das iranische Regime und dessen Vorgehensweise vertraut ist. Und so sind eben Menschen wie Mehdi, Majid, Hadi und Abbas genau das, was die Freiheitskämpfer der Badischen Revolution einst für Freiburg waren. Letztere wurden militärisch niedergeschlagen und erschossen. Den fünf Isfahaner steht ihr Schicksal noch bevor.
Wir appellieren daher inständig an Sie, in Erwägung zu ziehen, die Partnerschaft mit Isfahan zu beenden oder zumindest auf Eis zu legen, bis sich die politische Lage zu Gunsten der Bevölkerung verändert. Ihre Entscheidung wäre ein Schimmer der Hoffnung für die zukünftige Verwirklichung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte im Iran sowie für friedvolle Beziehungen in Nahost. Bitte halten Sie uns dazu auf dem Laufenden.
Mit freundlichen Grüßen
Ali Bahramian aus Isfahan Starnberg Dipl. Ing. FH IT-Spezialist
Arshia Khajehnouri München Student
Bahman Abedini Nürnberg Meisterhandwerker für Orientteppiche
Bardia Khajehnori München Student
Fardin Fateminejad Unterschleißheim IT-Netzwerk-Techniker
Hassan Mahmoudi München Schneidermeister, ehemal. politischer Gefangener 1982-84
Hirad Abedi München Multi-Media Künstler
Masoud Zehtabchi aus Isfahan München Dipl. Ing. FH Elektrotechnik
Khosro Khajehnouri München Studium der Literaturwissenschaften, ehemal. politischer Gefangener 1983-89
Mahin Alamati München Dipl. Betriebswirtschaft
Mahmood Ashraf Pouri München Dipl. Ing. Nachrichtentechnik
Majid Rahimi Nürnberg Großmeister Taekwondo Schule Kim Jung
Mashalah Barzegar München v
Mehri Dyzani Unterschleißheim Modefachfrau
Mohammad Azadan Nürnberg iranischer Ex. Fußball Nationalspieler
Said Rastegar München
Sara Fateminejad Unterschleißheim
Zohreh Shojaei München Labortechnikerin