Gehalten in der Gemeinderatsitzung am 27.05.2020

Sehr geehrter Oberbürgermeister Horn, sehr geehrte Bürgermeister und Bürgermeisterin, liebe Anwesende,

www.jupi-freiburg.de Foto: Felix Groteloh

Angela Merkel hat mal gesagt: Politik ist das was möglich ist und ich finde, dass die Verwaltungsvorlage zum Stadtbahnausbau 2030 diese Aussage ganz gut wiederspiegelt. Trotz mangelndem Personal in einem so wichtigen Amt, wie dem GuT, wird es vermutlich machbar sein in den nächsten zehn Jahren die bisherige Stadtbahnplanung konsequent fortzuschreiben. Die städtischen Ausgaben werden im Vergleich zur Vorlage aus dem vergangenen Jahrzehnt inflationsbereinigt um rund 16% erhöht.

Im Dietenbach wird es ein innovatives Mobilitätskonzept geben, dass die Straßenbahn, noch vor den ersten Einwohner*innen, in den Stadtteil bringt. Die Stadtbahn in Littenweiler wird verlängert werden um einen Grundstein für den Stadttunnel zu legen. Und am wichtigsten: Es wird hoffentlich sobald wie möglich der zweite Bauabschnitt der Messelinie gebaut und in Betrieb genommen.

Das Problem an alldem ist (und das wahrscheinlich für niemanden eine große Überraschung): Ich habe nicht ganz das gleiche Politikverständnis wie Angela Merkel und auch keine Lust, auf Politik, die allen gefallen will. Natürlich gehört es zu unseren Aufgaben als Stadträt*innen zwischen unterschiedlichen Interessen und Zielkonflikten abzuwägen und am Ende hoffentlich einen guten Kompromiss zu finden. Aber ich finde es falsch, wenn man dabei immer nur von den aktuellen Voraussetzungen und NICHT von den selbstgesetzten Zielen ausgeht. 

Ich finde, es ist AUCH unsere Aufgabe als Stadtrat, dass wir gemeinsam Wege finden, um Projekte möglich zu machen. Das bedeutet für mich Politik in Richtung Zukunft zu entwickeln. Aber dafür braucht es eben auch ein Bekenntnis…. zur Richtung.

Ich glaube, es wäre möglich für die Stadt die Stadtbahn stärker auszubauen, als es die Verwaltungsvorlage beschreibt. Den ersten Schritt hierzu wollen wir mit unseren interfraktionellen Anträgen und Anfragen schon heute gehen. Der nächste Schritt ist dann sicherlich eine personelle Stärkung des GuT als Schlüsselamt für die Verkehrswende im nächsten Doppelhaushalt. Beides zusammen mündet dann hoffentlich in einer Aktualisierung der heute beschlossenen Vorlage mit einigen Erweiterungen und Verbesserungen, wie es bereits vor 9 Jahren geschehen ist.

In diesem Raum wissen nämlich fast alle Entscheidenden heute, dass die vorliegende Planung nicht ausreichend ist. Weder für unsere ambitionierten Klimaschutzziele im Mobilitätssektor, noch für unseren Anspruch als Stadt, nachhaltige Mobilität für alle zu ermöglichen.  Wir wissen genau, dass die Botschaft an FridaysForFuture nach dem heutigen Beschluss sein soll: „Wir hören euch und wir werden jetzt den Ausbau der Stadtbahn fördern in dem wir die Ausgaben dafür erhöhen.“ Und wir wissen genau, dass eine 16%-Erhöhung dieser lauten Botschaft eigentlich nicht gerecht wird.

Natürlich wird ein noch stärkerer Ausbau Geld kosten und ich stimme unserem Finanzbürgermeister Breiter ganz offen zu, wenn er sagt: Alles geht nicht. Langfristig braucht Freiburg im Hinblick auf die Verkehrswende daher vor allen eins: Mut zur Richtung.

Ich habe gestern ein Interview von ihnen, Herr Horn mit FridaysForFuture Freiburg angesehen. Zum Thema Preiserhöhung der ÖPNV-Tickets haben sie es dort geschafft gleichzeitig zu behaupten, dass dadurch überhaupt kein Geld verdient wird, weil die Erhöhung weniger hoch als der Inflationsanstieg sei und dass das verdiente Geld in den Stadtbahnausbau investiert wird. Mut zur Richtung hört sich für mich leider anders an.Und auch bei den weiteren Tagesordnungspunkten der heutigen Sitzung merke ich, dass ich mich frage, wie der genaue politische Kurs zum Freiburg der Zukunft eigentlich aussieht. Ein, bald mit Schlagstöcken ausgestatteter KVD, der spätabends im Bermudadreieck patrouilliert, damit sich die zahlreichenden, das urbane Nachtleben genießenden Renter*innen dort gefühlt sicherer vorkommen dürfen, wird schließlich von genau demselben Haushalt finanziert, der für eine faktisch klimaschonende Stadtbahn nach St. Georgen wohl leider keine Kapazitäten mehr hat. Dass das so ist, ist schlicht und einfach eine Frage der Priorisierung und ich finden wir schulden gerade den jungen Menschen eine Antwort auf die Frage: „Wollen wir in den nächsten Jahren Politik für die Zukunft machen, auch wenn das Einsparungen an manch anderer Stelle bedeutet?“. Wenn man diese Frage beantworten will, dann bedeutet dass, das man sich auch als OB mal gerade machen muss und an manchen Stellen dazu zu stehen, dass man nicht alles möglich machen kann und vielleicht auch machnachmal nicht will. Auch das gehört dazu, wenn man junge Menschen wirklich ernst nimmt und ihnen auf Augenhöge begegnen will. Keine Antwort ist in jedem Fall jedenfalls die schlechteste Antwort auf diese Frage und viel Zeit ist nicht mehr. Dankeschön