Das Klagebündnis hat am heutigen Donnerstag, dem 24. August 2023, einen Antrag auf Eilrechtsschutz gegen das in der Parkanlagensatzung der Stadt Freiburg normierte Musikbox- und Musikinstrumentenverbot in den Freiburger Parks beim Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg eingereicht. Gemeinsam mit drei Antragsstelllenden und mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht das Bündnis der gerichtlichen Entscheidung mit Zuversicht entgegen. Die Prozesskosten werden über die Anfang August gestartete öffentliche Crowdfunding-Kampagne finanziert.
Für den Erlass der verschärften Verbote gab es rechtlich keine Notwendigkeit. Bereits die allgemeine Polizeiverordnung verbot jegliche Störungen der Nachtruhe. Das leise Spielen von Bluetooth-Box oder Gitarre, insbesondere mit mehreren hundert Metern Entfernung zur nächsten Wohnbebauung, stellte keine solche Störung dar, wird nun aber durch die Regelungen der Parkanlagensatzung mit hohen Bußgeldern oder gar einem Nutzungsverbot für die Parkanlagen bedroht. „Das Verbot von Musikboxen und Musikinstrumenten in fast allen Freiburger Parks ist daher offenkundig unverhältnismäßig und rechtswidrig.“ erklären Aenne Wagner und Jan Rahner, beide Mitglieder des Arbeitskreises kritischer Jurist*innen Freiburg (akj) und selbst Antragstellende im nun eingeleiteten gerichtlichen Verfahren.
„Junge Menschen haben ein Recht darauf, dass ihre Interessen gehört und sie selbst in den entsprechenden Verfahren beteiligt werden. Wenn die Stadt dieses Recht regelmäßig – wie nun bei Erlass der Parkanlagensatzung – ignoriert, bleibt uns letztlich keine andere Wahl als uns gerichtlich zu wehren.“ stellt Dorothea Schiewer für den Stadtjugendring klar. „Über 3.500 Unterschriften unter der Petition gegen das Musikbox- und Musikinstrumentenverbot können nicht einfach übergangen werden.“ ergänzt Seren Haliloğlu von den Jusos Freiburg.
Das Verbot und dessen Beschlussverfahren wurden bereits bei der Beschlussfassung im Gemeinderat kritisiert. „Das Verfahren war übereilt und Jugendliche wurden trotz gesetzlicher Pflicht nicht beteiligt. Wenn sowohl der Oberbürgermeister, als auch die Mehrheit des Gemeinderats offenbar kein Interesse an einer Politik mit und nicht gegen junge Menschen haben, so ist das nicht nur politisch fatal, sondern bedarf unserer Meinung auch der gerichtlichen Klärung.“ stellt Simon Waldenspuhl von der JUPI-Fraktion im Freiburger Gemeinderat klar.
„Die Parks erfüllen neben ihrer Eigenschaft als gerne genutzte Treffpunkte auch eine kulturelle Funktion. In einer Stadt, in der Übungsräume fehlen, sind sie auch Orte künstlerischer Ausdrücke. Tanztrainings oder Jamsessions wurden nun ohne Beschwerdelage und somit ohne Not mit dem flächendeckenden Verbot beiläufig kassiert. Das ist somit auch ein unzulässiger Eingriff in die Kunstfreiheit.“ hebt Markus Schillberg von der IG Subkultur hervor.
Dass das Musikbox- und Musikinstrumentenverbot völlig über das vorgeschobene Ziel, dem Schutz der Nachtruhe, hinausschießt, zeigt auch der Fall von Maxim Kramer, einer der Antragstellenden in dem Gerichtsverfahren. Er hatte sich im Juli auf der Freilichtbühne im Seepark mit anderen Personen zum gemeinsamen abendlichen Tanzen getroffen. Dabei spielte er Musik über den eigenen Bluetooth-Lautsprecher ab. Der kommunale Vollzugsdienst verbot ihm dies, beschlagnahmte unvermittelt seinen Bluetooth-Lautsprecher und ließ ihm einen Bußgelbescheid in Höhe von 128,50€ zukommen. „Diese harte Vorgehensweise hat mich und meine Tanzpartner*innen sehr getroffen. Die Beamten hatten selbst gesagt, die Laustärke sei nicht das Problem gewesen, mit den neuen Regelungen spiele das nun aber keine Rolle.“ rekapituliert Maxim Kramer die Situation. „Dieser Fall zeigt, dass junge Menschen unter Generalverdacht gestellt und aus den städtischen Räumen verdrängt werden, obwohl sie niemanden stören“, kommentiert Sophia Kilian von Junges Freiburg.
Rechtlich stützt sich das Bündnis auf eine Vielzahl von Angriffspunkte. Nicht nur der großflächige Geltungsbereich in fast allen Freiburger Parks und die Pauschalität des Verbots, das selbst leises Musikhören oder Musizieren ohne tatsächliche Störung der Nachtruhe untersagt, machen die Regelungen der Parkanlagensatzung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Auch die Tatsache, dass Stadtverwaltung und Gemeinderat die in § 41a der Gemeindeordnung gesetzlich vorgeschriebene Jugendbeteiligung augenscheinlich ignoriert haben, begründet die Rechtswidrigkeit der Satzung. Ebenso rechtlich unhaltbar ist in den Augen des Bündnisses der Umstand, dass die Stadt das Mittel einer Parkanlagensatzung allein deshalb gewählt hat, um die nicht vorliegenden Voraussetzungen für ein Verbot mittels Polizeiverordnung zu umgehen. „Diese Vorgehensweise ist rechtsstaatlich höchstproblematisch, denn die Stadt stellt sich damit über gesetzliche Vorgaben, die dem Schutz von Grund- und Freiheitsrechten dienen.“ erläutert David Werdermann, Rechtsanwalt bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Prozessbevollmächtigter des Klagebündnisses.
„Die Parkanlagensatzung sollte angesichts dieser begründeten rechtlichen Einwände vor Gericht keinen Bestand haben.“ ist Lina Wiemer-Cialowicz von der Gemeinderatsfraktion „Eine Stadt für alle“ überzeugt. Bestätigt der Verwaltungsgerichtshof im Eilrechtsschutz die Auffassung des Klagebündnisses, so wird er den Vollzug des Musikbox- und Musikinstrumentenverbot stoppen. Damit dürften kommunaler Vollzugsdienst und Polizei die Regelungen der Parkanlagensatzung nicht weiter anwenden. Das Klagebündnis will auf Basis der Entscheidung des Gerichts dann entscheiden, ob es auch im langwierigeren Hauptsacheverfahren gegen die Parkanlagensatzung und mögliche weitere kritikwürdige Regelungen wie das Nächtigungsverbot vorgehen will. Am Ende eines Hauptsacheverfahrens könnte das Gericht die Satzung endgültig für nichtig erklären. Hierfür ist man aber weiter auf Spenden über die Crowdfunding-Kampagne angewiesen.
Im jüngsten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zum Schutz der Nachtruhe auf dem Augustinerplatz sieht des Bündnis kein Hindernis für die eigenen Erfolgsaussichten. Der Entscheidung lagen andere Sach- und Rechtsfragen als beim Musikbox- und Musikinstrumentenverbot zugrunde. In dieser ging es nicht um eine verschärfte Regelung, sondern den Vollzug der bestehenden Regeln zum Schutz der Nachtruhe.
Das Klagebündnis setzt sich zusammen aus Jugendverbänden, Parteijugenden, Gemeinderatsfraktionen und -listen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen. Dazu gehören:
Arbeitskreis kritischer Jurist*innen Freiburg (akj)
IG Subkultur
Stadtjugendring Freiburg e.V.
Jusos KV Freiburg
Grüne Jugend Freiburg
JUPI-Fraktion
Junges Freiburg
Urbanes Freiburg
Die PARTEI
Liste Teilhabe und Inklusion
Fraktionsgemeinschaft Eine Stadt für alle
Grüne Alternative Freiburg
Linke Liste
Unabhängige Frauen Freiburg
Multicore e.V.
Kulturliste Freiburg