Sehr geehrte Damen und Herren,
die Istanbul-Konvention ist das weltweit erste verbindliche Instrument, das ausreichend staatliche Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt fordert. Da Deutschland diese ratifiziert hat und die Istanbul Konvention nicht nur den Bund, sondern auch explizit die Kommunen adressiert, steht die Stadt nun in der Pflicht, hier tätig zu werden.
Und die Notwendigkeit dafür ist dringender denn je. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Häusliche Gewalt gegen Frauen ist statistisch gesehen die am weitest verbreitete Form der Menschenrechtsverletzung in unserer Gesellschaft. Sie nimmt keine Rücksicht auf soziale, wirtschaftliche oder kulturelle Grenzen. Und erschreckenderweise zeigen Statistiken, dass die Fälle von Gewalt gegen Frauen in den letzten Jahren stetig angestiegen sind. 2022 waren in Freiburg etwa 318 Frauen betroffen. Das bedeutet fast ein Fall pro Tag. Nehmen wir hier noch die Dunkelziffer mit auf, die Opferschutzorganisation Weißer Ring geht von 80 Prozent aus, dann sind wir bei über 1800 Fälle pro Jahr nur in Freiburg, also fast 5 Fälle pro Tag, das heißt in Freiburg werden vermutlich jeden Tag 5 Frauen von Männern in ihrem Zuhause bedroht, geschlagen und oder missbraucht und aus ihrem Haus gedrängt. Und dabei bleibt es leider nicht immer, in Deutschland versucht jeden Tag ein Mann seine Frau zu ermorden. Allein in Freiburg gab es im Jahr 2023 zwei Morde und einen Mordversuch, alle Opfer waren Frauen. Es geht hierbei also nicht nur um die Einhaltung internationaler Verpflichtungen – es geht um den Schutz unserer Bürgerinnen, um das Wohlergehen unserer Gemeinschaft. Wir müssen klare Signale setzen, dass Gewalt in jeder Form in unserer Stadt keinen Platz hat.
Und die Stadt hat sich hier erstmal auf einen guten Weg gemacht. Vielen Dank an Simone Burkhard und Simone Thomas für ihre Arbeit. Der Beteiligungsprozess zur Umsetzung der Konvention war vorbildlich organisiert, hat sich den einzelnen Feldern der Istanbul Konvention genähert und sehr konkrete Handlungsempfehlungen an die Stadt formuliert. Und es war immer angekündigt, dass im Anschluss an diesen Prozess diese Vorschläge an die Stadt übermittelt und in Form einer umfassenden Vorlage aufgenommen werden. Dass dieses Versprechen nicht eingehalten wurde, dürfte allen klar sein, die die Vorlage gelesen haben. Wir können bei der Dringlichkeit, der großen Betroffenheit von so vielen Freiburgerinnen und dem seit Jahren zu beobachtenden Anstieg diese Zurückhaltung der Stadt hier nicht nachvollziehen. Denn eigentlich wird in der Verwaltung das Thema Sicherheit und Ordnung sonst doch auch sehr ernst genommen.
Und es lag garantiert nicht daran, dass es keine konkreten Ideen gibt, was zu tun wäre. Die Expert:innen aus der Stadtgesellschaft haben im Beteiligungsprozess viele tolle Maßnahmen vorgelegt und wir sind mit dem Ergebnis und den Vorschlägen sehr zufrieden. Auf das Projekt StoP in Weingarten zum Beispiel, auf das meine Vorrednerinnen ja schon ausgiebig eingegangen sind.
Wir haben hier aber noch ein weiteres konkretes Anliegen. Es geht dabei um die Stärkung des Frauen- und Kinderschutzhauses. Die Istanbul Konferenz macht hier klare, von der Wissenschaft gestützte Vorgaben. 2,59 Betten, also ein Familienplatz pro 10.000 Einwohner:innen. Das sind 60 Plätze für Freiburg. Unser Frauenhaus ist aber nicht nur für Freiburg, sondern auch für den Landkreis Breisgau Hochschwarzwald zuständig. Der hat nochmal 260.000 Einwohner:innen. Das heißt eigentlich brauchen wir 120 Plätze. Im Moment haben wir ca. 25. und die sind eigentlich immer belegt. Das ist auch kein Wunder, denn im Normalfall ist eine betroffene Frau für mindestens einen Monat im Frauenhaus, und das bei über 3600 Betroffenen im Jahr. Dazu kommt, dass es für viele Frauen gar keine Chance auf einen Platz gibt. Dazu gehören zum Beispiel Wohnungslose, Suchtkranke oder Frauen mit zu vielen Kindern. Auch das muss sich ändern.
Und um das mal in einen Kontext zu setzen. Im Jahr 2024 kostet uns das Frauen- und Kinderschutzhaus 270.000 Euro pro Jahr. Allein für die Aufstockung des Kommunalen Vollzugsdienstes ist die Stadt bereit, ohne Gemeinderatsbeschluss und trotz der Haushaltslagen das Dreifache auszugeben.
Wir haben deshalb heute folgenden Antrag gestellt: Wir fordern die Stadt auf bis in den Herbst einen Plan zu erarbeiten, wie wir es hinbekommen können, dass Freiburg eine Stadt wird, in der von Gewalt betroffenen Frauen bestmöglichst geholfen und geschützt werden. Und dazu gehört ein Frauenhaus, das alle Betroffenen hier ausreichend Schutz und Hilfe bekommen können. Und es ist uns völlig klar, dass auch Bund und Land hier finanzielle Verpflichtungen haben, an die wir Sie immer wieder erinnern müssen.
Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch eine moralische. Es geht darum, ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern zu setzen, ein Zeichen dafür, dass ihre Stimmen gehört werden und dass sie nicht alleine sind. Ich appelliere an Sie alle, diese Herausforderung anzunehmen und gemeinsam an der Umsetzung der Istanbul-Konvention in unserer Stadt zu arbeiten, und dazu gehört auch die dringend notwendige Aufstockung der Frauenhausplätze. Denn jeder Beitrag zählt im Kampf gegen die häusliche Gewalt und für ein Freiburg, in dem jede Frau sicher und frei leben kann.
Ich danke Ihnen.