Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Zuerst möchte ich mich für diese vorläufige Analyse der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen bedanken. Ich bin mir sicher, es war ein unglaublicher Kraftakt diese Zahlen bereits jetzt aufzuarbeiten und dem Gemeinderat aber auch der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Nun ist es vor allem auch die Aufgabe des Gemeinderats, aus dieser Analyse die richtigen Schlüsse zu ziehen und Handlungsperspektiven zu entwickeln. 40 Millionen sind ein starkes Wort und selbstverständlich eine massive Belastung des Haushalts. Nichtsdestotrotz haben wir in der Vergangenheit mehr als nur ein Bau- oder Sanierungsprojekt beschlossen, das deutlich mehr gekostet hat. Angesichts einer globalen Krise erscheint diese Summe zwar als ein Rückschlag, aber reduziert auf die Auswirkungen auf unseren Haushalt, ist die Stadt Freiburg noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen. Andere kommen aus dieser Krise nicht so unbeschadet davon. Manche verlieren ihre Existenzgrundlage, andere ihr Leben. Durch die Einschränkungen, die wir alle in den letzten Monaten hingenommen haben, konnten wir die Verbreitung des Virus eindämmen und so Menschen retten. An dieser Stelle hat die Stadt Freiburg und insbesondere auch unser Oberbürgermeister Martin Horn sehr gut und vor allem schnell reagiert. Jetzt wo die Maßnahmen greifen und wir die Verbreitung des Virus, zumindest vermeintlich, unter Kontrolle bekommen haben müssen wir anfangen, die Existenzen zu retten. Auch hier sollte Freiburg Vorreiter sein. Auch hier sollten wir nicht darauf warten, das Bund und Land Entscheidungen treffen, sondern auch hier müssen wir Initiative zeigen.
Deutschlandweit rechnet der Einzelhandel mit 50.000 Insolvenzen. Gaststätten, Bars und Clubs, Spielstätten und viele andere sind hier noch nicht einberechnet. Und das trotz der Maßnahmen des Bundes. Wir sind als Gemeinderat und als Stadtverwaltung den Bürger*innen verpflichtet und können diese Verantwortung nicht abgeben. Zum Beginn der Pandemie haben wir als JUPI Fraktion recht früh einen städtischen Fond und ein Fraktionsgespräch gefordert um der Freiburger Nachtgastronomie durch die Krise zu helfen. Uns wurde Profilierung vorgeworfen und geantwortet, dass dies nicht möglich sei, denn ein solcher Fond müsse man dann ja für alle öffnen. Schauen wir mal nach Mannheim. Dort hat die Stadt recht früh, Anfang April, einen städtischen Fond aufgesetzt, „für Selbstständige und kleine Unternehmen, die für das urbane Leben in Mannheim Leistungen erbringen. Dazu zählen Unternehmen mit weniger wie 50 Mitarbeiter*innen, Veranstalter*innen, Clubs und Gastronomie. Das erklärte Ziel: Die, die in Mannheim Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen, sollen dies auch nach der Coronakrise weiter tun können.
Wir haben als Kommune offensichtlich eine Wahl – ob wir uns ausschließlich auf die Bundesregierung verlassen oder ob wir unsere lokale Wirtschaft, die Existenzen und die Arbeitsplätze, die damit zusammen hängen, selbst retten wollen. Die 40 Millionen die Corona uns dieses Jahr vermutlich kosten wird sind ein Witz dagegen, was Corona mit unserem Stadtbild tun kann, wenn wir nicht aktiv werden. Deshalb sage ich Ihnen, wir sollten noch ein paar Millionen mehr einberechnen und diese sofort zur Verfügung stellen, um Einzelhandel, Gastronomie, Nachtgastronomie, Spielstätten und Vereine zu retten.
Während alle darauf warten, das Bund und Land weitere Soforthilfen beschließen, haben Sie eine Frau oder einen Mann, vielleicht auch eine Familie, die sich jeden Monat in Unsicherheit wissen muss, ob sie es schafft den Laden solange zu halten, bis die Auswirkungen der Krise überstanden sind. Stellen Sie sich vor, Sie besitzen eine Kneipe und müssen sich jeden Monat aufs neue Fragen ob Sie sich noch einen Monat länger verschulden, um es über den Berg zu schaffen, oder ob sie besser jetzt aufgeben bevor sie noch mehr verlieren.
Meinetwegen werfen sie mir vor, dass ich mich profilieren will, oder dass ich pathetisch bin. Aber das ist die Realität für viele. Während der Haushalt 40 Millionen von fast einer Milliarde verliert, verlieren manche alles. Angestellten geht es nicht besser. Die meisten, die in der Gastronomie arbeiten, sind sowieso keine Festangestellten. Und selbst die, die Anspruch auf Kurzarbeit haben, können sich kaum über Wasser halten. Kurzarbeiter*innen kriegen kein Trinkgeld und das ist oft das einzige was einen Thekenjob attraktiv macht.
Gehen wir jetzt aber zurück zu dem großen Bild. Der Finanzbürgermeister wird vorschnell laut, redet von Haushaltsperren und Sparen. Natürlich können wir angesichts Millionenverlusten nicht einfach so weiter machen wie bisher, natürlich wird der kommende Doppelhaushalt anders werden als bisher. Das bedeutet aber nicht, dass der Gemeinderat handlungsunfähig erstarrt. Zeiten der Krise sind schon immer Zeiten für Veränderung, Neudenken und Innovation gewesen. Wir müssen diesen Haushalt neu formen. Wir müssen selbstverständlich Geld einsparen. Wir müssen überlegen was wirklich wichtig ist. Wir müssen uns auf das fokussieren, was Freiburg braucht, um nach der Krise aufzublühen. Das bedeutet aber auch, dass wir investieren müssen. Man muss kein Finanzexperte sein, um zu wissen, dass der Markt antizyklisches Handeln belohnt. Wenn wir als Kommune in Zeiten aktiv werden, in denen andere handlungsunfähig sind, stechen wir hervor. Und auch wenn ein CDU-Finanzbürgermeister natürlich geneigt ist schwarz zu malen – geht es uns in Freiburg gut. Besser als vielen anderen Kommunen. Und diesen Vorteil sollten wir jetzt ausspielen. Nachhaltigkeit ist nicht immer Vorsicht, Nachhaltigkeit ist zukunftsorientiert zu H-a-n-d-e-l-n!
Deshalb wollen wir keine Zuschüsse an Vereine, soziale Träger oder Kultureinrichtungen kürzen. Denn in der Zeit der Krise muss die Stadt für ihre Akteur*innen da sein, damit diese weiter für ihre Stadt da sein können. Ebenfalls wollen wir darauf verzichten, der Verwaltung über die globalen Minderausgaben Geld aus den Rippen zu pressen, denn wir werden in den nächsten Jahren auch eine gut aufgestellte Verwaltung brauchen. Einsparvorschläge hingegen sehen wir im Investitionshaushalt. Müssen wir ein kleines Haus für 10 Millionen sanieren? Müssen wir den Mundenhof für X Millionen sofort erweitern? Können wir Projekte wie den Umbau des Colombiparks für 3 Millionen nicht auch nach hinten verschieben?
Es ist nicht die erste und nicht die letzte Krise durch die Freiburg in 900 Jahren gegangen ist und deswegen wünsche ich der Verwaltung weiterhin viel Ausdauer und dem Gemeinderat Mut zu gestalten, damit die vielen neuen Stadträtinnen und Stadträte das Beste aus einer schwierigen Situation machen können.
Vielen Dank