Wir haben Anfang September eine ausführliche Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt zur Sicherheitslage und den Polizeieinsätzen auf dem Stühlinger Kirchplatz. Hier ist die Antwort der Verwaltung:

1. Welche Vorfälle am Stühlinger Kirchplatz sind der Stadt bekannt? Bitte schlüsseln Sie uns die Vorfälle in den letzten vier Jahren auf.

Aufgrund des Gesamtkontextes der Anfrage wird im Folgenden davon ausgegangen, dass hier „Straftaten“ gemeint sind. Diese stellen sich auf dem StühlingerKirchplatz (SKP) in den letzten vier Jahren wie folgt dar (Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik):

STÜHLlNGER-KIRCHPLATZ2015201620172018
Straftaten gesamt273339274342
Gewaltkriminalität16151718
Raubdelikte3467
Straßenkriminalität19222225
Aggressionsdelikte30303038
Rauschgiftkriminalität (RKG)209264203262
RKG – Besitz111129127169
RKG – Handelsdelikte931317489

2. Ist der Stadtverwaltung bekannt, nach welchen Kriterien die Polizei Personenkontrollen im Stühlinger Kirchplatz vornimmt?

Trotz einer Einstufung des Stühlinger Kirchplatz als sogenannter „verrufener Ort“nach § 26 Abs. 1 Ziff. 2 PolG, wonach formal auch niederschwelligere Kontrollen grds. zulässig wären, finden nach Kenntnis der Verwaltung die polizeilichen Personenkontrollen ausnahmslos verhaltensorientiert statt. Die im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft eingesetzten Beamtinnen und Beamten werden in diesem Sinne gezielt geschult sowie regelmäßig instruiert und sensibilisiert.

3. Welche Ergebnisse lieferten die Großeinsätze am Stühlinger Kirchplatz in den Monaten August und September? Welche Menge an Drogen und verbotenen Substanzen wurden an den jeweiligen Tagen sichergestellt?

Am 15.08./03.09. und 17.09.2019 fanden jeweils Schwerpunktkontrollen mit mobiler Videoüberwachung statt. Dabei wurden bei Personenkontrollen meh- rere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz entdeckt. Darüber hinaus wurden anlässlich dieser Einsätze 13 Verstecke von Betäubungsmittel (Btm) aufgefunden (sog. „Bunker“). Bei den dort vorgefundenen Btm handelte es sich ganz überwiegend jeweils um portionierte Kleinmengen Cannabisproduk- te, im Einzelfall aber auch um Amphetamine.Daneben finden unabhängig von diesen Schwerpunktkontrollen Streifengän- ge und Kontrollen in Einzelfällen auf dem Stühlinger Kirchplatz statt, bei de- nen ebenfalls regelmäßig Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) festgestellt und Drogen aufgefunden werden.

3.2 Ist der Stadtverwaltung bekannt, wie viele Strafverfahren im Zusam- menhang mit den Kontrollen am Stühlinger Kirchplatz eingeleitet wur- den?

Nach Auskunft der Polizei wurden bei den Schwerpunktkontrollen im August und September 2019 anlässlich von Personenkontrollen mehrere Verstöße gegen das BtmG erfasst, die nach Ausermittlung an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Weiterhin wird geprüft, ob im Zusammenhang mit den aufgefundenen Bunkern der Verdacht von Straftaten gegen konkrete Perso- nen besteht, was ebenfalls ein Strafverfahren nach sich ziehen könnte.

Eine genaue Anzahl der bisher – ausschließlich auf den Schwerpunktkontrol- len beruhenden – eingeleiteten Strafverfahren ist nicht bekannt.

3.3 Hat die Verwaltung Informationen, ob nach den Einsätzen Erkenntnissezu ‚Hintermännern oder -frauen‘ der Drogenszene bekannt wurden?

Dies liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit der Polizei. Diese teilte auf Nachfrage mit, dass die Ermittlungen hierzu aktuell im Gange sind und Hin- tergrundinformationen zu einzelnen Ermittlungsverfahren daher nicht veröf- fentlicht werden können.

3.4 Ist der Stadtverwaltung bekannt, ob durch die Auswertung des Video- materials im Nachgang weitere Straftaten ausfindig gemacht werden konnten?

Die Videoüberwachung erfolgte auf Grundlage des § 21 Abs. 3 PolG und er- füllte daher in erster Linie präventive Zwecke. Nach Mitteilung der Polizei konnten allerdings auch vereinzelt im Nachgang Straftaten und Ordnungsstö- rungen festgestellt und die entsprechenden Aufnahmen im Weiteren als Be- weismittel verwendet werden.

3.5. Ist der Stadt bekannt, wie viele Polizeibeamt*innen an den jeweiligen Kontrollen beteiligt waren?

Zu Angaben des exakten Kräfteaufwandes liegen keine Angaben vor. Die Personalstärke hängt beispielsweise von örtlichen Gegebenheiten oder dem Bedarf an Fachdiensten ab. Der Stadtverwaltung ist aber bekannt, dass so- wohl Unterstützungsbeamt_innen der Sicherheitspartnerschaft, Beamtinnen und Beamte des normalen Streifendienstes des Reviers Freiburg Nord, der Hundestaffel sowie Beamtinnen und Beamte des Polizeipostens Stühlinger beteiligt waren.

3.6 Unterstützte die Stadt diese Kontrollen personell oder finanziell? Falls ja, in welcher Form und in welchem Umfang?

Es erfolgte keine personelle oder finanzielle Unterstützung bei den Einsätzen.

3.7 Wurden die zuständigen Sozialarbeiter*innen in die Kontrollen mitein- bezogen?

Im Rahmen der Kontrollen erfolgte vereinzelt der Austausch zwischen Polizei und Straßensozialarbeit. Eine (vorherige) Einbeziehung der Straßensozialar- beit in derartige Schwerpunktkontrollen ist für die Arbeit der Straßensozialarbeiter_innen kontraproduktiv und findet daher bewusst weder durch die Polizei noch durch die Verwaltung statt.

4. Sind im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft weitere Großkontrollen am Stühlinger Kirchplatz oder anderen Orten geplant?

Großkontrollen werden aus nachvollziehbaren Gründen in der Regel nicht vorab öffentlich bekannt gegeben. Die Polizei analysiert regelmäßig die Kriminalitätsla- ge. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob und wo weitere Kontrollen durch- geführt werden.

5. Mit welchen Konzepten, neben Polizeikontrollen, versucht die Stadt den Konflikt am Stühlinger Kirchplatz zu befrieden?

Die Verwaltung arbeitet unter Federführung des Projektes Sicherheit und Ord- nung in Zusammenarbeit u.a. mit dem Bürgerverein Stühlinger, der FWTM an ei- nem Nutzungskonzept für den Stühlinger Kirchplatz mit dem Ziel:

  • den Park für verschiedenste Nutzergruppen und Besucher_innen dauerhaft attraktiver zu gestalten unter Berücksichtigung der Interessen der Anwohnerin- nen und Anwohner,
  • das subjektive Sicherheitsempfinden zu stärken
  • das objektive Erscheinungsbild zu verbessern,
  • gezielt gegen die dort stattfindende Kriminalität, in erster Linie Drogenhandel, vorzugehen.

Die Konzeption soll die verschiedenen Interessen z.B. der Anwohnenden, der Schulen, der Kirchengemeinde und den Personen die den Platz nutzen und sich aufhalten wollen miteinander vereinen. Durch Erhebungen und Workshops konn- te festgestellt werden, dass bei vielen Anwohner_innen und Besucher_innen des Stühlinger Kirchplatz der Wunsch nach einer intensiveren Nutzung sowie insge- samt nach einer Aufwertung des Platzes besteht. Einer der Schwerpunkte der Konzeption ist es, mehr niederschwellige, nichtstörende Veranstaltungen auf den Platz zu holen. Derzeit wird mit unterschiedlichen Personen, Vereinen, Veranstal-tern, Kunstschaffenden etc. ein „Veranstaltungskonzept“ erarbeitet. Beginnend mit dem Jahr 2020 soll eine konzertierte Veranstaltungsreihe entwickelt werden, die zu einer intensiveren, vielschichtigen aber auch anwohnerverträglichen Nut- zung des Platzes führt.

Des Weiteren soll eine Gastronomie auf dem Platz etabliert werden, um die Auf- enthaltsqualität zu steigern und mehr Besucher_innen auf den Platz zu ziehen. (An dieser Stelle kann auch auf die Beantwortung vom 20.09.2019 der Einzelan- frage nach § 24 Abs. 4 GemO zu Sachthemen außerhalb von Sitzungen der SPD/Kulturliste und CDU Fraktion zu Aufwertungsmaßnahmen Stühlinger Kirch- platz verwiesen werden).

Unabhängig von den konzeptionellen Überlegungen bieten die Straßensozialar- beiter_innen von KontaktNetz den Nutzer_innen des Stühlinger Kirchplatzes durch Vor-Ort-Präsenzen ein niederschwelliges und freiwilliges Unterstützungs- und Hilfeangebot an, welches durch die Erhöhung der Personalressourcen (Be- schluss des Gemeinderats vom 26.02.2019 zur Drucksache G-19/056) ab vo- raussichtlich dem 01.11.2019 um weitere 1,5 VZÄ ausgebaut wird.

Die Kommunale Kriminalprävention des ASS war während der Vorbereitungender Veranstaltung „Mein-dein-unser Stühlinger Kirchplatz“, die am 10.11.2018stattfand, regelmäßig mit dem Bürgerverein, den Schulleitungen der angrenzen- den Schulen und Vertreter_innen der Kirche im Austausch. Die Veranstaltung diente u. a. zur Information der Bürgerschaft über bisher ergriffene Sicherheits- und Gestaltungsmaßnahmen von Stadtverwaltung und Polizei, aber auch zur Vertiefung von möglichen Ansätzen zur Befriedung und Gestaltung des Platzes, auf Grundlage der Befragung des Freiburger Instituts für angewandte Sozialwissen- schaft e.V. (FIFAS) mit Bürger_innen und Fachpersonen aus der Verwaltung. Während der Sicherheitskonferenz in der Innenstadt am 24.07.2019, bei der u.a. auch die angespannte Situation auf dem Stühlinger Kirchplatz seitens der Bür- gerschaft thematisiert und kritisiert wurde, konnten Bürger_innen und Fachpersonen über alle laufenden Maßnahmen informiert werden und Rückfragen stellen.

Die Kommunale Kriminalprävention erläuterte dabei auch den präventiven Ansatz der Straßensozialarbeit. Vor der Durchführung der Sicherheitskonferenzen wur- den in Zusammenarbeit mit dem Referat Prävention der Polizei Informationsstän- de zu Präventionsthemen auf dem Stühlinger Kirchplatz organisiert. Das ist im 2. Halbjahr 2019 nochmals geplant.

Unter dem Namen „Building Bridges“ wird seit Mitte August 2019 ein ehrenamtli- ches Projekt von zwei afrikanischen Freiburgern angeboten, das vom AMI betreut wird. Die beiden Ehrenamtlichen sind derzeit von Montag bis Freitag je rund zwei Stunden nachmittags auf dem Platz präsent, stehen für Gespräche zur Verfügung und bieten Sportangebote an. Sie sind erkennbar durch T-Shirts mit der Aufschrift„Stühlinger Platz-Team“ bzw. „Talk to me“. Ziel dieses Projektes ist es, zu einembesseren Sicherheitsgefühl für alle Gruppen beizutragen, akzeptierte Vertrauens- personen auf dem Platz anzubieten und so den Stühlinger Kirchplatz als interkul- turellen Ort für alle nutz- und erlebbar zu machen. Dieses ehrenamtliche Projekt kann nur einen begrenzten Beitrag zur Befriedung auf dem Stühlinger Kirchplatz leisten.

6. Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass im Zuge der Kontrollen am 3. Sep- tember auch gegen drei Journalist*innen von Radio Dreyeckland Platzver- weise ausgesprochen wurden? Wie bewertet die Stadt diese Behinderung journalistischer Arbeit?

Auf Nachfrage bei der Polizei haben sich diese Vorgänge wie folgt abgespielt:

Im Rahmen des Einsatzes am 03.09.2019 behinderte und störte eine dreiköpfige Frauengruppe eine polizeiliche Kontrollmaßnahme gegenüber einer alkoholkonsumierenden Männergruppe. Den daraufhin ergangenen Anweisungen der vor Ort befindlichen Polizei kamen die Frauen nicht nach. Daher wurde diesen ge- genüber schließlich ein Platzverweis ausgesprochen. Keine der drei Frauen hat sich zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Polizei als Journalistin zu erkennen ge- geben.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurde eine männliche Person festgestellt, die auffäl- lig offensiv Bildaufnahmen des Einsatzes anfertigte. Bei einer daraufhin durchge- führten Kontrolle gab sich diese Person als ein Vertreter von Radio Dreyeckland zu erkennen. Daraufhin wurde er – wie in diesen Fällen üblich – an den direkt vor Ort befindlichen Vertreter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Polizei verwie- sen.

Eine Behinderung journalistischer Arbeit liegt somit nicht vor.