Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeisterin und Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die JUPI-Fraktion wird dem städtischen Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 heute -wenig überraschend – zustimmen.
Wir haben ihn ja schließlich gemacht.
Nicht alleine natürlich und nicht nur in den letzten Monaten – das zu behaupten wäre geradezu unverschämt gegenüber den Mitarbeiter*innen in der Stadtverwaltung, gegenüber unseren demokratischen Kolleg*innen in diesem Gremium und gegenüber unseren vielen Partner*innen in der Freiburger Zivilgesellschaft.
Worauf ich hinauswill, ist aber folgendes: Der kommunale Doppelhaushalt ist nicht wie die Verwaltungsvorlagen, über die wir für gewöhnlich im Gemeinderat beraten und entscheiden. An deren Ende steht nämlich immer eine politische Momentaufnahme in Form eines Beschlusses zu einem klaren Zeitpunkt, mit einem klaren Thema, hoffentlich klarer Mehrheit und einer eindeutigen politischer Verortung einer jeden Fraktion.
Der Haushalt selbst ist eben keine solche Momentaufnahme. Er ist viel mehr wie ein kommunalpolitisches Daumenkino, indem alle finanzwirksamen Beschlüsse aus den letzten zwei Jahren als einzelne Momentaufnahmen übereinander gelegt werden. Fast jede Seite in diesem Heft steht für ein eigenes, mal mehr und mal weniger gelungenes Bild aus dem Freiburger Gemeinderat, aber erst, wenn man alles von vorne bis hinten durchgeblättert hat, kann man erkennen, in welche Richtung sich die Stadt insgesamt bewegt und wer dafür maßgeblich die Verantwortung trägt.
Unser Anspruch ist es immer gewesen, ein Treiber der Entwicklung Freiburgs hin zu einer klimaneutralen und sozialen Großstadt zu sein, die durch eine weltoffene und engagierte Zivilgesellschaft mit Leben gefüllt wird. Aus diesem Zielbild heraus leiten sich die Schwerpunkte unserer politischen Arbeit in den letzten Jahren ab und finden sich auch in diesem Haushalt wieder.
Die Themen Bezahlbares Wohnen und Klimaneutralität sind diesbezüglich die großen kommunalpolitischen Themen unserer Dekade.
Zum Thema Klimaschutz haben wir bereits Monate vor der Einbringung des Doppelhaushaltes einen Quantensprung geschafft.
Mit der Reform des Klimaschutzfonds haben wir nicht nur auf Jahre hinaus ein verlässliches Mindestbudget zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen errungen, sondern auch einen skalierbaren Mechanismus etabliert, der den Wettbewerb um die besten Ideen innerhalb der gesamten Stadt fördert und die Vergabe von Finanzmitteln an wissenschaftliche Evidenz knüpft.
Damit haben wir einen Standard gesetzt, der als Leitlinie auf dem Weg zur Klimaneutralität wirkt und die parteipolitische Debatte rund um das Riesenthema Klimaschutz jetzt schon spürbar versachlicht.
Neben dem Klimaschutzfonds als Topf für zusätzliche Maßnahmen, wird der Erfolg beim Klimaschutz jedoch auch davon abhängen, ob wir es als Stadt schaffen, sämtliche Maßnahmen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, weil sie ökologisch wirken und wirtschaftlich profitabel sind, tatsächlich umzusetzen. Der konsequente Ausbau von erneuerbaren Energien auf städtischen Dach- und Freiflächen, die Sanierung unserer öffentlichen Gebäude, sowie die Einführung eines Energiemanagementsystems und weitere Energiesparmaßnahmen seien hier beispielsweise genannt.
Auch im Bereich der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum befinden wir uns in, im Rahmen unserer kommunalen Möglichkeiten, auf dem richtigen Weg.
Die Entscheidungen zur 50%-Quote für geförderten Mietwohnungsbau in Freiburg und der Verkaufsstopp von städtischen Grundstücken zur temporären Aufpolierung des Haushaltes sind und bleiben zwei politische Meilensteine einer endlich sozialeren Wohnungspolitik in Freiburg. Dazu gehört aber natürlich auch, dass der städtische Haushalt die Freiburger Stadtbau weiterhin finanziell unterstützen muss, um die Wohnungsnot dort gezielt zu lindern, wo sie die Menschen in unserer Stadt am härtesten trifft. Denn es ist eben nicht so, dass jeder entstehende Wohnraum per se gemeinwohlorientiert ist. Auf die Bezahlbarkeit kommt es an und die entsteht unter den aktuellen Bedingungen auf dem freien Markt auch dann nicht, wenn die Bauherren für Freiburg das noch zehnmal in die Wahlprogramme ihrer Kleinstlisten schreiben.
Gerade weil die Themen Klimaschutz und bezahlbares Wohnen von so elementarer Bedeutung sind, braucht es für beide Thema auch die Ehrlichkeit in der Debatte, dass wir in den letzten vier Jahren zwar viel Richtiges beschlossen haben, dass alles aber wenig bringt, wenn nicht jede politische Ebene sich unseren Anstrengungen anschließt. Und selbst wenn das gelingt, wird es wahrscheinlich lange dauern, bis das Politikversagen des vergangenen Jahrzehnts in diesen Bereichen aufgeräumt ist.
Umso wichtiger ist es darum, dass wir in diesem Haushalt auch Anträge gestellt haben, die vielen Freiburger*innen in prekären sozialen Situationen direkt helfen werden.
Insbesondere der Ausbau von Frauenhausplätzen und der Haushaltsantrag zur Umsetzung der Istanbul-Konvention waren für uns wichtige Anliegen, denn in diesem Bereich ist in Freiburg lange leider deutlich zu wenig passiert.
Selbiges gilt für die Stärkung der Obdachlosenhilfe durch die Reaktivierung des erfolgreichen Projekts „Brückenschlag“, das Wohnraum für bisher wohnungslose Menschen akquiriert und vermittelt.
Mit unseren Anträgen zum Thema Barrierefreiheit und auch mit unserem Aufschlag zu einem möglichen queeren Zentrum verstärken wir unser Engagement, Freiburg zu einer inklusiveren und offeneren Stadt zu machen.
Bei vielen dieser Anträge geht es nicht um große finanzielle Summen, doch sie stehen stellvertretend für den klaren Wunsch aus der Freiburger Zivilgesellschaft, dass wir kommunale Sozialpolitik verstärkt intersektional denken und umsetzen müssen. Und dass viele kleine Schritte auch ganz schön etwas ins Rollen bringen können, sieht man nicht nur an der hervorragenden Arbeit, die in entsprechenden Projekten gelingt, sondern auch daran, dass auch große städtische Projekte wie das Außenbecken des Westbads mittlerweile inklusiv geplant oder auch für ein neues Feuerwehrhaus feministische Argumente bemüht werden.
Ob diese Bemühungen tatsächlich immer aus einer progressiven, altruistischen oder manchmal doch eher aus einer politischen Logik erfolgen, darf natürlich jeder selbst beurteilen. Die Tatsache, dass scheinbar jeder davon ausgeht, dass Projekte, bei denen alle Menschen mitgedacht werden, bessere Aussichten auf politischen Erfolg in unserer Stadt haben, freut mich aber ganz unabhängig davon.
Ganz besonders freuen wir uns außerdem, dass unsere Anträge für die attraktivere Gestaltung von verschiedenen öffentlichen Plätzen in Freiburg Mehrheiten gefunden haben, auch wenn es uns verwundert, wie kontrovers dies zu sein scheint.
Der öffentliche Raum ist das Wohnzimmer aller Menschen in Freiburg, aber vor allem für diejenigen, die kein eigenes Wohnzimmer haben. Insbesondere für junge Menschen in unserer Stadt, die in den letzten Pandemie-Jahren auf extrem viel verzichtet haben, um solidarisch mit den älteren Menschen zu sein, nimmt er eine wichtige Stellung ein. Während der Pandemie haben alle möglichen Politiker*innen stetes versprochen, dass diese Solidarität irgendwann belohnt werden wird, aber in der Stadt Freiburg wird weiterhin meist dann über Jugendliche und junge Menschen gesprochen, wenn sie zu laut, zu teuer, oder zu betreuen sind. Gerade die Konflikte um das Thema Lärm in unserer Stadt löst man in unseren Augen aber nicht durch eine reine Verhinderungs- und Problemverschiebungspolitik, sondern es braucht auch Räume, in denen es für junge Menschen okay sein muss, junge Menschen zu sein und sich wie solche zu verhalten.
Genau hier setzt unser Programm an und ermöglicht durch die Umsetzung von Maßnahmen, wie der Verbesserung der Beleuchtungssituation in Parks, die Öffnung öffentlicher Toiletten oder das Schaffen von Stromanschlüssen zur Vereinfachung von kulturellen Veranstaltungen, mehr Möglichkeiten den öffentlichen Raum zu nutzen, ohne dabei Wut und Unverständnis auf sich zu ziehen. Dass die bürgerlichen Fraktionen sich so über unsere Anträge so echauffiert haben und teilweise abstruse Verbindungen zur Entscheidung über den Bau eines neuen Feuerwehrhauses in Kappel gezogen haben, zeigt uns, dass von konservativer Seite eigentlich gar kein Interesse besteht, die Zielkonflikte rund um das Thema öffentlicher Raum aufzulösen. Im Gegenteil, ein solches Vorgehen stärkt den Eindruck, dass ihre Politik geradezu auf die Wut und das Unverständnis der Anwohnenden und das ewige Schimpfen auf die angeblich so verkommene Jugend von heute angewiesen ist.
Eine faire und ausgewogene Debatte wird dann schnell zur politischen Bedrohung und wird genauso zu verhindern versucht, wie die innovative Idee einer Kulturstraßenbahn als attraktiver Treffpunkt für junge Menschen abseits der üblichen Lärmhotspots.
Gut, dass wir in diesem Haushalt trotzdem Tatsachen schaffen.
Tatsachen schaffen ist generell ein gutes Stichwort.
Ich habe meine Rede heute begonnen und gesagt, dass wir diesem Haushalt selbstverständlich zustimmen. Das tun wir nicht, weil wir jeden Beschluss der letzten Jahre ausnahmslos gut finden oder weil wir die finanzielle Lage der Stadt nach Jahren der Pandemie und den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf unsere ukrainischen Freund*innen unkritisch sehen. Sondern wir tun es trotzdem.
Denn wenn ich mir das Daumenkino hier ansehe, dann komme ich zu dem Entschluss, dass es ein Understatement wäre zu sagen: Wir als JUPI-Fraktion haben hier und da ein bisschen mitgemacht. Meine Fraktion hat nicht nur diesen Haushalt, weit über unsere zweiundfünfzig erfolgreichen Anträge hinaus, sondern die gesamte Stadtpolitik in den letzten vier Jahren entscheidend geprägt und hat es geschafft, trotz all dieser Krisen viele wichtige Impulse zu setzen, die zusammenwirken und die Stadt insgesamt voranbringen.
Die Frage, die uns der städtische Haushalt stellt, ist nicht, wie wir uns heute in einer politischen Momentaufnahme verorten, sondern ob wir auch wirklich zu der Gesamtrichtung stehen, in die uns die Beschlüsse der letzten zwei Jahre geführt haben.
Diese Frage können wir für uns eindeutig positiv beantworten und wir sind bereit, dafür in Zeiten sich überlagernder Krisen auch die Verantwortung zu übernehmen.
Vielen Dank.