Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn, sehr geehrten Kolleg:innen, sehr geehrte Anwesende,
vielen Dank für die ausführlichen Vorlagen und strategische Vorbereitungen für die Aufstellung eines Flächennutzungsplans. Sie haben sich viel Mühe gemacht, sie haben Bürger:innen miteingebunden, Expert:innen beteiligt und das Verfahren schön aufgearbeitetet. Und dies zeigt sich auch im Ergebnis. Unsere Fraktion kann und wird heute zustimmen.
Ich möchte in meinem Redebeitrag nochmal hervorheben, was wir als Fraktion an Botschaften mitnehmen.
Wir wissen es schon lange, aber es hat sich nochmal bestätigt:
Dem Klimawandel zu begegnen und dabei ausreichend bezahlbaren Wohnraum schaffen, sind zwei starke und zentrale Herausforderungen für die Stadt. Um diese im Ansatz zu meistern, müssen wir wesentlich stärker politisch steuern. Diese Erkenntnis ist auch nicht neu, aber wichtig. Denn wir müssen dies auch deshalb tun, weil die letzten Jahre einfach viel zu wenig gesteuert wurde. Die Politik vertraute auf den Markt, der würde das schon richten. Er hat es aber nicht. Wir sind von dieser Tatsachen nicht überrascht. Um zu steuern, werden wir und in Zukunft radikal investieren müssen. In Personal, in Gebäude, in Technologie und ganz wichtig in kommunale Flächen.
Und deshalb brauchen wir jetzt auch eine Politik, die diese Herausforderungen auf Augenhöhe begegnet. Die mit Mut, Risikobereitschaft und mit einer radikalen Offenheit Neuem gegenüber die Stadt komplett umkrempelt und so fit und lebenswert macht für die prognostizierte Zukunft.
Diesen Mut brauchen wir zum Beispiel beim Nachdenken über die Nutzungen von schon bestehenden Flächen. Multfunktionalität ist die Herausforderung der Stunde. Dächer, Fassaden, Parkplätze, Innenstädte, Schulen, Theater, überall stehen Räume zu Verfügung, die bisher nur einem Zweck zugeordnet waren. Das muss auf den Prüfstand. Und auch hier muss es politisch gesteuert werden. Denn Multifunktionalität bedeutet Orgaaufwand.
Auch müssen wir uns mutig von der Idee des Privateigentums auf bestimmte Güter verabschieden. Brauchen wir alle ein eigenes Auto oder Lastenrad, das jeden zweiten Tag nur rumsteht, einen eigenen Kleingarten in dem wir die Hälfte der Fläche eh nicht bewirtschaften können, eine eigene Werkstatt für die paar Mal im Jahr war werkeln, ein eigenes Büro, wenn wir eh die Hälfte der Zeit im Homeoffice arbeiten?
Wir brauchen auch Mut für eine neue Baukultur. Wir müssen in die Höhe bauen und Wohnungen müssen kleinflächiger werden. Das Konzept Einfamilienhaus ist Geschichte. Unsere Ressourcenknappheit zwingt uns zu Effizienz.
Wir brauchen den Mut zu einer Mobilitätswende und Neudenken des öffentlichen Raums. Was alles möglich ist, wenn in Zukunft kaum noch Autos die Straßen vollparken ist grandios. Aufenthaltsflächen, gemeinsame Gärten, an jeder Ecke ein Spielplatz und Platz für Gastronomie und Kaffeekultur. Und dieser neue öffentliche Raum hat dann das Potential unsere Wohnzimmer zu ersetzen. So können wir reines Gewissens kleineren Wohnungen bauen und trotzdem die Lebensqualität in Freiburg steigern.
Wir brauchen Mut, Wirtschaft neu zu denken. Bisher steht das Streben nach Profit im Vordergrund. Doch auch hier gibt es Ziele, die besser passen zu den Herausforderungen unserer Zeit. Das Stichwort heißt Purpose Economy. Immer mehr Menschen wollen aus ihrem Leben mehr machen, als nur wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Sie sehen sich zurecht als Teil eines großen Ganzen und erfahren Befriedigung eben nicht beim Blick auf den Kontostand, sondern mit dem Wissen, einen Beitrag geleistet zu haben, um die Welt etwas besser zu machen. Dieses Denken müssen wir gezielt fördern. Bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffs hat gezeigt, wie Wissensaustausch statt geistigem Eigentum uns schnell und gut voran gebracht hat. Und daran anschließend braucht jede*r Firma eine eigene Produktionsstätte, wenn geistiges Eigentum nicht mehr so relevant ist? Ich bin mir sicher auch hier steckt viel Potential für klima- und flächenfreundliche Mehrfachnutzungen.
Ich denke, die Stoßrichtung meiner Rede ist klar. Und ich freue mich, dass alles, was ich hier aufgezählt habe, in Grundzügen sich wiederfindet in dieser strategischen Ausrichtung des FNPS 2040 der Verwaltung.
Radikale Veränderungen sind nicht einfach. Wir alle haben irgendwo Angst vor dem Neuen, wir alle mögen Routine und wir haben ein Sicherheitsbedürfnis. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Veränderungen gut sind und die Angst fast immer unbegründet ist. Auch zeigt dieser Blick, dass wir uns nicht beirren lassen dürfen von ideologischem Widerstand, der Veränderungen schon immer entgegenschlägt. Das Beschwören einer guten alten Zeit, in der angeblich die Welt noch in Ordnung war und sich alle noch moralisch korrekt verhalten hätten, ist seit Jahrhunderten der politische Evergrenn von Fortschrittsverweigerern.
Auch das wissen eigentlich alle, aber es findet zu selten noch Eingang in die konkreten Veränderungsvorhaben. Veränderungen treffen Menschen mit weniger Geld und Kapital immer härter. Eine klare sozialpolitische gerechte Verteilung der negativen Folgen ist unumgänglich für eine erfolgreiche Transformation unserer Stadt.
Lassen Sie mich am Ende noch einen kleinen Exkurs in die Wohnungsmarktanalyse und -bedarfsprognose unternehmen. Vielen Dank besonders für diese Vorlage. Hier lässt sich exemplarisch gut zeigen, was ich gerade recht theoretisch auf der Metaebene versucht habe, Ihnen näher zu bringen. 2016 haben wir gegen den massiven Widerstand von Grünen, CDU, Freien Wählern, Bauwirtschaft und Verwaltung beschlossen, künftig 50 Prozent geförderten Mietwohnungsbau zu realisieren. Als erste Stadt in Deutschland. Das war mutig und vorausschauend und eine echt knappe Kiste. Die Analyse und Prognose der heutigen Vorlage sagen nämlich ziemlich klar: Eigentlich hätten wir, um den Bedarf in Freiburg an bezahlbaren, kleinteiligen und familiengerechten Wohnraum zu decken, eine 77 Prozent Quote beschließen müssen.
Und eine zweite Erkenntnis der Vorlage ist, selbst wenn wir jetzt alle Bauprojekte realisieren und die Bevölkerung nur moderat wächst, haben wir 2040 immer noch eine Delta von fehlendem Wohnraum ähnlich groß wie das jetzige. Unsere jetzigen Anstrengungen führen also nicht zu einer Veränderung, im besten Fall verbessern wir leicht den jetzt schon skandalösen Status Quo.
Für uns ist klar, dies bedeutet wir müssen unsere Anstrengungen weiter ausbauen. Wir brauchen eine offene, ehrlich und enttabuisierte Debatte über weitere potenzielle Flächen zur Schaffung von bezahlbaren Wohnraums. Wir brauchen in Dietenbach eher 50 Prozent geförderten Mietwohnungsbau plus Studierendenwohnheime und Wohnheim für Uniklinikmitarbeitende und auch wesentlich schärferen Druck in der Innenentwicklung auf die Eigentümer:innen von sog. Baulücken. Und wir brauchen Bund und Land um das alles auch gut zu finanzieren.