Sehr geehrter Oberbürgermeister Horn, sehr geehrte Bürgermeister und Bürgermeisterin,
Die aktuelle Klimabilanz zeigt, dass die Emissionen in Freiburg sich vom Jahr 2018 bis 2019 grundsätzlich in die richtige Trendrichtung entwickelt haben und dann zeigt sie noch was emissionstechnisch passiert, wenn eine Jahrhundertpandemie ausbricht.
Für Rückschlüsse auf unsere aktuelle Klimaschutzbemühungen ist sie deswegen eher so mittel geeignet. Daher will ich heute versuchen, ein Stück weit abseits der vorgelegten Statistik aus meiner persönlichen Perspektive auf den klimapolitischen Status Quo in der Stadt Freiburg und das was darauf folgt einzugehen.
Für mich und meine Fraktion war immer klar, dass es im Rahmen einer erfolgreichen und gerechten Klimapolitik, nicht nur darum gehen darf, den Menschen Holzzahnbürsten anzudrehen oder sie dazu zu überreden ein bisschen weniger zu duschen.
Die eigentliche, politische Aufgabe besteht viel mehr darin, jedem Menschen in Freiburg, ob arm oder reich, ob jung oder alt, ob Weingarten oder Wiehre, die Möglichkeit zu geben, klimaneutral zu leben. Das zu erreichen, ist keine primäre Frage des persönlichen Verzichts, sondern eine Frage der Bereitstellung und Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur. Auf gutdeutsch gesagt: Um unsere Klimaziele zu erreichen, muss die Stadt Freiburg im Grunde genommen einmal komplett umgekrempelt werden.
Als ich im Februar 2019 gemeinsam mit vielen weiteren jungen Menschen die ersten großen „FridaysForFuture“-Demonstrationen hier organisierte, war uns klar, dass insbesondere in der Finanzierung von Klimapolitik ein wichtiger Schlüssel liegt. Obwohl die Spitze der Stadtverwaltung damals nicht müde wurde zu betonen, dass die Stadt Freiburg unser Engagement super finde, aber die Stadt ja eigentlich schon das Bestmögliche rausholen würde, wurde das kommunale Klimaschutzbudget kurze Zeit später doch nochmal von drei Millionen auf 6 Millionen Euro im Jahr angehoben. Und seit der Kommunalwahl haben wir es mit Druck aus dem Gemeinderat und der Bewegung geschafft, dieses Budget von 6 auf 9 auf 12 auf aktuell 20 Millionen pro Jahr fast zu versiebenfachen. Um klar zu sein, auch dieses Budget wird perspektivisch nicht ausreichen um unsere Klimaziele zu erreichen und der politische Kampf darum wird weitergehen, aber zum ersten Mal nähern wir uns dem Punkt, an dem der Kampf gegen den Klimawandel nicht am Geld oder an der politischen Priorisierung scheitert. Und weil ich weiß, dass heute viele aus der Bewegung hinhören werden, die schon seit Jahren genau dafür gekämpft haben, möchte ich einmal sagen, dass das ein sauguter Grund ist um kurz auch stolz auf uns zu sein.
Die größten Hürden auf dem Weg zur Klimaneutralität sind heute nicht mehr allein die Finanzierung und die Greenwashing-Versuche von Berufspolitiker*innen, sondern die Knappheit von realen Ressourcen und die Wucht der aktuellen, sozialen Verwerfungen, die nicht durch irgendeine Klimapolitik ausgelöst wurden, aber in den nächsten Jahren doch mit entsprechenden Wandel verbunden sind.
Wir wissen, nicht erst seit dem Ukrainekrieg, dass die wichtigste Stellschraube einer kommunalen Klimapolitik die Wärmewende ist. Hier wird das meiste CO2 verbraucht und leider interessieren sich bis vor kurzem die wenigsten Menschen dafür. Stand heute hängen gut zwei Drittel der Menschen in Freiburg mit ihrer Heizung direkt am fossilen Erdgas. Wir haben mit dem Wärmemasterplan einen super guten Plan gemacht, wie wir dies ändern wollen und die Stadt mit erneuerbaren Energien und industrieller Abwärme beheizen können. Aber wenn wir diesen Plan ernstnehmen, dann haben wir in den nächsten Jahren aber nicht nur zwei große Baustellen gleichzeitig in der Stadt, sondern acht. Und um das umzusetzen fehlen uns aktuell noch die nötigen Fachkräfte und ehrlich gesagt auch die politische Kommunikatio, die uns durch diese radikalen Umbrüche führen würde. Hier müssen die politischen Lösungen auch kommunal anfangen.
Der zweite, wichtige Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Stromwende. Aktuell produziert die Stadt ein knappes Zehntel des erneuerbaren Stroms, den wir theoretisch verbrauchen. Unser tatsächlicher Strommix ist zwar nicht ganz so furchtbar, wie dieser rechnerische, aber dennoch ist klar, dass wir in Freiburg noch viel aktiver werden müssen, wenn es darum geht Flächen für Solar- und Windanlagen auszuweisen und diese auf unseren eigenen, kommunalen Dächern dann auch tatsächlich zu nutzen. Die größte Musik spielt im Strombereich jedoch die Zusammenarbeit mit der Region. Hier müssen wir noch zielorientierter und engagierter auf unsere Nachbargemeinden in Verhandlungen zugehen.
Der dritte, wichtige Schritt ist schlussendlich die Mobilitätswende. Ihr kommt nochmal eine besondere Schlüsselrolle zu, denn im Mobilitätsbereich können auf kommunaler Ebene zwar deutlich weniger Emissionen eingespart werden, aber sie ist untrennbar mit den anderen Ebenen verbunden. Unser Potenzial an erneuerbaren Energien in der Region ist groß genug, um das Mobilitätsbedürfnis von allen Menschen hier zu decken, aber auch klein genug, um an dem SUV-Exzess von Einzelnen zu scheitern. Deswegen lasst uns pragmatisch sein: Wenn wir im Rahmen der Wärmewende jede zweite große Straße in der Stadt einmal aufreißen müssen, um unsere Klimaziele zu erreichen, dann können wir die Gelegenheit nutzen um auch die Verhältnisse auf der Straße neu zu ordnen und unsere Verkehrsinfrastruktur nicht nur ökologischer, sondern auch sicherer, gerechter und qualitätsvoller zu gestalten als zu Zeiten der „autogerechten Stadtplanung“.
So zumindest würde ich mir wünschen, dass der Gemeinderat und die Bürgermeister*innenbank die große Herausforderungen der Klimatransformation angeht. Wir schaffen die Klimaneutralität 2035 nur, wenn wir die verschiedenen Ebenen zusammendenken. Wir schaffen es nur, wenn wir sie sozial gestalten. Und wir schaffen es nur, wenn die Politik den Mut hat, sich für beide Seiten der Transformation verantwortlich zu fühlen: Nicht nur für die Verkündung von neuen Jahreszahlen als politische Message, sondern auch für die tatsächliche Umsetzung im Detail. Dankeschön.