Ein Konzeptpapier der Fraktion Eine Stadt für Alle und uns:
Schon vor der Corona Krise lag im Freiburger Nachtleben einiges im Argen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wirken nun wie ein Brandbeschleuniger. Die Ausstellung zum Freiburger Nachtleben von subculture urban media rechnete zuletzt vor, dass die Zahl der örtlichen Tanzflächen binnen eines Jahrzehnts von 30 auf weniger als 20 gesunken ist. Diese Entwicklung für sich ist bereits besorgniserregend.
Im Zuge der Corona Krise durften nun die verbliebenen Freiburger Clubs seit Anfang März 2020 keinen einzigen Tag mehr öffnen. Auch die vielen Bars und Restaurants, die in den letzten Jahren mit einem gelegentlichen Veranstaltungsbetrieb das Nachtleben verstärkt mit Events bereicherten, leiden seit Ausbruch der Krise in einem bislang ungekannten Ausmaß – ganz zu schweigen von der gesamten Veranstaltungswirtschaft, von Konzertagenturen, Veranstaltungstechnikfirmen, Caterer*innen, Marketingagenturen und vielen weiteren.
Dabei ist ein attraktives nachtkulturelles Angebot, allem voran das Vorhalten von Clubs und Spielstätten, ein wichtiger Standortfaktor für Landkreise und Kommunen. Eine Studie im Rhein-Main-Gebiet 2018, durchgeführt von der IHK, hat bestätigt: Clubkultur und Konzertangebote sind äußerst relevante Freizeitangebote für Menschen zwischen 18 und 49 Jahren. Eine Stadt wie Freiburg, welche die zweitjüngste dieser Republik ist und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit untrennbar mit ihrer Attraktivität verbunden ist, kann diese verheerende Entwicklung nicht unkommentiert lassen.
Als Universitätsstadt von internationaler Bedeutung sollten wir alles tun, um unsere Attraktivität gerade für junge Menschen zu wahren. Die Orte des Freiburger Nachlebens sind erweiterter öffentlicher Raum, Orte des Zusammenkommens, des sozialen Interagierens und Raum für Musik und ausgelassenem Tanzen. Beides uralte menschliche Bedürfnisse.
Aus diesen Gründen haben wir uns mit Vertreter*innen der Szene hingesetzt und einen Plan erarbeitet, um das Freiburger Nachtleben sicher durch diese Krise zu bekommen: Er umfasst 5 Punkte:
- Zum Erhalt zumindest eines Teiles der Freiburger Clubs und Spielstätten sollte zeitnah nochmals ein Rettungsfonds ausgeschrieben werden. Es ist bei der jetzigen Lage der Pandemie nicht absehbar, wann Clubs und Spielstätten wieder öffnen dürfen. Bei dieser neuen Runde sollen nicht nur Clubs und Spielstätten mit Booking berücksichtigt werden, sondern auch klassische Diskotheken. Denn auch diese sind ein wichtiger und großer Teil unseres bunten Nachtlebens und durften im Vergleich zu Einzelhandel, Gastronomie oder Fitnessstudios keinen einzigen Tag seit März 2020 öffnen.
Leider fand unser Antrag hierzu keine Mehrheit im Gemeinderat am 8.12.2020. Ob sich die Aufsetzung im neuen Jahr noch lohnt, werden wir evaluieren und gegebenenfalls nochmals einen Antrag stellen.
- Projektmittel für sämtliche innovative, junge Kulturvorhaben, z.B. Street Art, DJ-Kunst, noch nicht Erfundenes oder Ausprobiertes. Voraussichtlich wird Nachtkultur erst wieder stattfinden können, wenn ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist. Der gesamten Szene fehlt somit mehr als ein Jahr an Zeit, sich kreativ auszutoben. Dieser Topf soll hier eine stimulierende Funktion haben. Er richtet sich direkt an Akteur*innen und Veranstalter*innen des Nachtlebens, Streetart und digitaler Kunst. Über die Anträge soll bestenfalls eine Jury bestehend aus Popsupport, Kulturamt und Szenekenner*innen entscheiden.
Einmalige Belastung für den Haushalt: 50.000€
- Freiburg ist eine dicht bebaute Stadt mit wenig freiem Raum. Der verbleibende ist oft teuer und Clubs und Spielstätten sind als Pächter*innen nicht gerne gesehen. Trotzdem sind wir überzeugt, dass es auch jetzt noch eine Handvoll Orte in dieser Stadt gibt, in welchen ein Club oder eine Spielstätte sich einmieten könnte. Wir fordern die Stadt auf, zeitnah eine Potentialanalyse zu erarbeiten. In dieser soll auch dargestellt werden, was einer konkreten, schnellen Nutzung entgegenstehen könnte. Ebenfalls fordern wir, dass bei der Erarbeitung größerer städtischer Entwicklungsprojekte der Raumbedarf von Clubs und Spielstätten mitgedacht und mitgeprüft wird. Auch soll hier nochmal Potentiale für kulturelle Zwischennutzung von städtischen Flächen und Gebäuden wie Parkhäuser, Schwimmbäder oder den Stadtgarten überprüft und neu bewertet werden. Einen Antrag hierzu werden wir noch dieses Frühjahr stellen.
Belastung für den Haushalt: Zusätzlicher Aufwand für das städtische Personal
- Wir wollen, dass die Stadt einen kommunalen Fonds bereitstellt, der für ein Jahr nach der Corona-Pandemie Gründer*innen, die in Freiburg einen Club oder eine Spielstätte eröffnen wollen, finanzielle Unterstützung gewährt. Zum Beispiel könnte die Kommune für bestehende wie neue Orte (nach Vorlage eines Konzeptes) der Nachtkultur die GEMA-Gebühren für zunächst ein Jahr übernehmen. Dem angeschlossen wäre eine kostenfreie Beratung und Hilfestellung bei der Beantragung von behördlichen Genehmigungen. Freiburg hat eine kreative Szene, nicht wenige haben Lust ein solches Wagnis einzugehen und sich mit einem Club oder Spielstätte selbstständig zu machen. Die Kostenübernahme soll hierfür als Anreiz verstanden werden. Die Förderbedingungen sollen geknüpft werden an Bedingungen. So sollte das Thema Inklusion, Nachhaltigkeit und Schutz vor sexuellen Übergriffen durch Schulungen des Personals im Konzept mitgedacht werden. Dieser Fonds macht Sinn, sobald absehbar ist, dass das Corona-Virus unter Kontrolle ist. Wir werden den Antrag zu diesem Zeitpunkt stellen.
Einmalige Belastung für den Haushalt ca. 70.000€
- Bisher kümmert sich eine halbe Stelle, angesiedelt bei der FWTM um die die Belange der Szene. Die Akteur*innen der Nachtkultur sind vielfältig: Spielstätten und Gastronom*innen, Vereine und Gruppierungen haben gemeinsame Interessen, aber auch oft individuelle Probleme oder Konflikte. Hier den Überblick zu behalten, sich miteinander zu vernetzen und zu unterstützen ist eine riesige Aufgabe. Die bisherige halbe Stelle ist dem Aufgabenumfang nicht gewachsen. Wir fordern eine zusätzliche ganze Stelle im Popsupport.
- Da Bund, Land und EU die Wichtigkeit von Nachtkultur langsam erkennen, gibt es immer wieder Förderprogramme für die Szene. Doch Anträge zu schreiben kann ein nervenaufreibendes Unterfangen sein, dass die selbstständigen Betreiber*innen nicht immer selbst leisten können. Eine Ansprechperson die aktiv unterstützt und den Überblick behält, kann dazu beitragen, dass die Gelder auch in Freiburg abgerufen werden. Lärmkonflikte und Sicherheitsthematiken sind ständiger Begleiter der Nachtkultur. Die zu schaffende Stelle soll hier vermittelnd und proaktiv mit allen Akteur*innen, von Bürger*innenvereinen über das Amt für öffentliche Ordnung bis zu den Betreiber*innen der Nachtgastronomien sprechen und vermitteln.
- Ebenfalls hat die Arbeit der letzten Jahre gezeigt, dass diese Stelle ein eigenes Sachmittelbudget benötigt. Aus diesem können zum Beispiel kleine Projektmittel, Fahrkosten für die Teilnahme an Fachkonferenzen und eigene Veranstaltungen finanziert werden. Hierfür würden wir gerne 12.500 Euro in den Haushalt einstellen. Das Geld soll nicht wie bisher als Zuschuss gewähren, sondern fest in die Verlustabdeckung der FWTM integriert werden, damit die dort arbeitenden Menschen in einem zeitlich nicht befristeten Arbeitsverhältnis angestellt werden können.
Gesamte Belastung für den Haushalt: 62.500€,
Wir, die unterzeichnenden Fraktionen, sind uns sicher, dass diese fünf Schritte dem Freiburger Nachtleben zeigen, dass die Stadtpolitik dieses als wichtigen Bestandteil für unsere Stadt sieht. Die hier genannten Maßnahmen belasten den Haushalt mit etwas über 180.000 Euro. Das ist nicht viel Geld, wenn bedacht wird, wie lange und nachhaltig die Stadt profitieren wird.
Unterzeichner*innen:
Emriye Gül, Stadträtin Eine Stadt für Alle
Irene Vogel, Stadträtin Eine Stadt für Alle
Maria Mena, Stadträtin JUPI
Sergio Pax. Stadtrat JUPI
Mitgearbeitet haben dankenswerterweise:
Multicore e. V.
Kulturaggregat e. V.
Slow Club e. V.
Fresh Life Records
Clubkultur e. V.
Thorsten Leucht, subculture urban media
Yvonne Morick, IG Subkultur